Dienstag, 3. April 2012
11. Lautlos am Morgen
Eine morgendliche Verweigerung den sich nahenden Tagespflichten Einlass zu gewähren sorgte gänzlich gegen meinen Willen dafür, dass mir träumte, ich sei ein Täubchen, das auf einem sehr hohen Industrieschornstein sass und ohne es zu wissen in einen "Dürrenmatt'schen Weltraumfahrer" verwandelt war. Über die kleine Kurzwellenantenne von Blitzableiterstummel neben mir hielt ich regen Funkkontakt mit der Bodenstation. Auf Grund der enorm in den Weltraum ragenden Backsteintechnologie des Schornstein und der damit verbundenen grossen Distanzen kam es immerwieder zu Empfangsproblemen, die wiederum Missverständnisse in der Kommunikation nach sich zogen. Der Satellit auf dessen Rand ich sass war schon seit Jahren still gelegt und keine russende und stinkende Kohlendioxidwolke oder sonstige interstellare Gaswolke von Orionnebel verschleierte die nächtliche Sicht auf die unter mir funkelnde Galaxie. In ihr zogen kleine rote Kometen mehrspurig ihre Bahnen und winzige Fixsterne von Schreibtischlampen und Teelichtern leuchteten neben grossen Ansammlungen sogenannter Kugelsternhaufen von Strassenlampen, Ampeln mit roten Riesen, einem orange blinkendenm Pulsar oder sonstigen bunten Neonsternen, die einer Supernova gleich erstrahlten, um schon in ein paar Stunden von Lichtjahren wieder zu erlischen.
Leider gab es immerwieder Unterbrechungen beim Empfang der Trägerwelle des Funksignals durch atmosphärische Störungen, weil irgend ein Leichtmatrose versuchte die hochfrequente Wellenausbreitung zu brechen, indem er hektisch auf der Morsetaste seiner Autohupe rumhackte. Das ornitologische Sprachübersetzungsprogramm meines Bordcomputer war wie so vieles im letzten Jahrzehnt dem Rotstift zum Opfer gefallen und daher war mein Differenzverstärker des Mikrofon, der für die phonetische Efassung zuständig ist, auch nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. Das bedeutete wiederum, dass immerwieder das eine oder andere Signal falsch interpretiert wurde und es am Ende nicht "Federlesen" hiess, sondern "elender Besen" und ich und die Funkoffizierin der Bodenstation Funkstille für den Rest des Tages hatten.
In diesem Moment surrte ein Alarmsignal und eine rote LED auf der Konsole begann zu blinken. Das kam mir im Moment allein schon desswegen unpassend, da laut Briefing keine offiziellen Berichte gesendet oder empfangen werden mussten und ich mir die Langeweile in der Unendlichkeit des Weltraum mit einer weiteren Folge eines VALERIAN & VERONIQUE - Comic vertreiben wollte. Das vibrierende Relais sorgte für einen zweiten und jetzt sich zunehmend bedrohlicher anhörenden dritten Impuls. Verdammt - jemand hatte an der Tür geläutet! Wer will das denn jetzt schon sein, wo ich noch nicht mal Gefrühstückt habe und gerade vor dem Fenster in Gedanken verloren in die morgendliche Landschaft des Stadtrandgebietes sah, wo sich ein von der Sonne hell erleuchteter Industrieschornstein vor einem dunklen gewittrigem Himmel abzeichnete. " Guten Morgen! Ach so - hatte ich ganz vergessen. Stimmt - Sie wollten ja den alten Fernseher von meinem Vormieter , der hier noch rumsteht, abholen. Ja - kein Problem . . . Noch einen schönen Tag."

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