Donnerstag, 29. März 2012
9. MALLORCA: URLAUBER ERSTICKT BEIM ESSEN...
. . . lautete die Überschrift einer Meldung auf verschiedenen Nachrichtenportalen vom 31.August 2025. Laut dieses Berichts hatte sich ein 82 - jähriger deutscher Großvater verschluckt und war mit einem Stück Fleisch im Hals erstickt, ohne dass einer der 555555 umstehenden Verwandten oder Restaurantbesucher ihn retten konnte. Wie das Nachrichtenportal "Cronica Balear" erklärte, haben ihn auch ein paar Rettungschwümmer unter Anwendung der "Heimlich Methode", keine Ahnung was das ist, nicht aus seiner misslichen Lage befreien können. Man soll laut Bericht dabei 5 mal kräftig auf den Rücken klopfen und 5 mal Druck auf den Oberbauch ausüben. Vermutlich damit der Brocken filmreif wieder aus dem Mund fliegt und im Dekolleté der gegenübersitzenden Tante Gertrud landet. Oder doch zumindest auf einem Stück Servietten - Passepartout, um dann fein säuberlich gerahmt zur Erinnerung an die Rettung über dem Beistelltischchen mit dem Telefon an die Wand genagelt zu werden.

Gut - Man könnte sagen, was woll'n denn die ganzen Leute? Opa war 82 und hatte einen intensiven aber kurzen Tod. Viele andere siechen noch Jahre irgendwo allein in einem Bett im Altersheim dahin. Opa hatte das Glück im Kreise seiner Frau, seiner lieben Enkelin und seines Schwiegersohns sterben zu dürfen. Was will man mehr in dem Alter. Ja - Opa könnte aber auch noch sehr rüstig in seinem Alter gewesen sein. Einen gut und umfangreich ausgebauten Hobbykeller sein eigen nennen. War, wie wir erfahren, noch recht unternehmungslustig und aufgeschlossen für Reisen. Hatte vieleicht vor, nocheinmal mit EasyJet den Jakobsweg entlang zu fliegen, oder was weiß ich noch zu besteigen. Why not?

In dem Fall aber, habe ich das ungute Gefühl, daß sich die 555555 Retter für die falsche Richtung des Fleischbrocken entschieden haben. Zumindest hat mir das mal eine "Putte" getackert.
Ja - ich muss gestehen, ich war auch mal in der misslichen Lage wie Opa. Und auch ich hatte einen Brocken im Hals, der sich keinen Millimeter mehr, weder vor noch zurück bewegte und war wie Opa am ersticken und auf dem absolut sicheren Weg in Richtung Jenseits. Aber was hat dann doch noch zu meiner wundersamen Rettung beigetragen?

Es war zu einer Zeit...(moment - fangen so nicht Märchen an? Egal...) als ich noch auf der Straße lebte und mit Betteln in Lissabon und Umgebung unterwegs war. Genauer gesagt waren es gerade die Monate, in denen ich in einem alten verlassenen Haus in Sintra die Nächte verbrachte. Von dem für diesen Ort auffallend mickrigen erbettelten Geld hatte ich mir noch ein trockenes Brötchen ohne jeglichen Belag als Betthupferl für den Abend aufgehoben. Ich lag nun auf der ausrangierten Matratze in einem noch halbwegs erträglichen, nicht mit Parkett, sondern noch mit alten verwitterten Holzbolen ausgestatteten Zimmer, mit einem Arm aufgestütz, wie ein römischer Centurio auf seinem Chaiselonge. Eine vermutlich nicht gekaufte sondern von einem Friedhof "organisierte" Kerze sorgte für die spärliche Beleuchtung. Da lag ich nun; sinierte über die Vorkommnisse des Tages und brach das Brötchen, um mir in aller Ruhe Stück für Stück in den Mund zu schieben.

Bis dann der falsche Brocken an der Reihe war. Der blieb in meinem Hals stecken und machte keinen Ruckler mehr. Weder vor noch zurück und die Sauerstoffzufuhr sank in einer Sekunde von 100% auf 0%...Scheiße!...Scheiße!...Scheiße!

(Ab jetzt versuche ich in der Beschreibung von Echtzeit auf Superslowmotion zu wechseln) Ich kann euch versichern, das war'ne knallharte Tatsache, daß ich im Moment wie Opa auf dem sicheren Weg war zu krepieren, nur daß ich niemanden in meiner Nähe hatte, der mir, wie auch immer, hätte helfen können. Um Hilfe schreien? Na - ich brauch wohl keinen langen medizinischen Bericht halten, daß man auch dafür erst mal die nicht mehr zur Verfügung stehende Luft braucht, um nur den kleinsten Piepser zu artikulieren. Sicher - Es mag Leute geben, die sagen: "Was soll das Gejammer! Das ist nun mal die natürliche Auslese in der Savanne von Portugal. Wie lange will der schnorrende Hänger noch von seinen armen Mitmenschen leben?" Eji - Mann ! Gut - ich lebte'n ganz schön hartes Leben ohne jegliche Luxusgüter. Nicht mal Geld für'n Glas Honig hatte ich damals. Es gibt aber auch Tage, da ist irgendwie fast alles geil. Geiles Wetter. Geile Stadt. Geiler Fluss. Geiles Meer. Erträgliche Mitmenschen. Man könnte sich kaum besser fühlen. Und jetzt soll mit dem allem ganz plötzlich Schluss sein? Ohne ersichtlichen Grund? So von einer Sekunde auf die Andere, wegen so einem Scheiß Brocken im Hals?
Nun müssen wir unterscheiden, denn das ist mein Wissensstand des Vortages.

Das Know How des Momentum ist aber inzwischen ein anderer. Was war also passiert? An diesem Morgen wurde ich durch ein besonderes Geräusch geweckt. Oder war ich schon wach? Egal - Dieses Geräusch hob sich stark von allem anderen ab, wie vorbeifahrenden Autos oder quaselnde Passanten auf dem Bürgersteig die durch die Fenster deren Glas nicht mehr vorhanden war drang. Es klang so wie wenn jemand mit etwas schwerem einmal auf Holzbretter schlägt oder drauf springt. Dieses Geräusch war so einprägend, daß ich mich in diesem panischen Moment am Abend sofort daran erinnerte und wusste, was jetzt zu tun ist. Innerhalb von Sekunden, nachdem Sauerstoff - mässig nichts mehr ging, sprang ich von meiner Matratze hoch, setzte wie in alten Tagen zum Fosbury Flop an, aber nicht um Bezirksmeister im Hochsprung bei einem Hallenevent meiner Stadt in den Siebzigern zu werden, sondern um bewusst unsanft und ohne abzufedern wieder auf den Füssen zu landen. Der Brocken rutschte problemlos durch in Richtung Magen, frischer modrig duftender verstaubter Sauerstoff flutete wieder meine Lungen und ich war sichtlich verdattert über das, was mir gerade in den letzten Sekunden passiert war. Im Animationsfilm "Polar Express" steigen jetzt die Kellner auf die Tische und tanzen und der Schaffner singt:"SUPERKLASSE - EXTRAKLASSE - ERSTE KLASSE..." (We got it...)

Ja sicher. Von einem 82 - jährigem Opa zu verlangen, er soll Basketball - mässig zu einem Dunking ansetzen ist sicher problematisch. Aber man könnte ihn zumindest dazu überreden aufzustehen und sich mutig ohne abzubremsen wieder auf den Stuhl plumsen zu lassen. Vieleicht wäre das seine letzte Rettung gewesen. Vieleicht auch nicht.....



(Sept. 2025)