Mittwoch, 5. September 2012
15. HERMANN HESSE . . .
(TEIL 2) . . . Dieses Flechtwerk von Interessen und Erfahrungen im praktischen Leben und verwoben mit von Anderen durch Literatur weiter Gegebenem, das sich beim Heranwachsenden bildet, seinen Character prägt, seinen Standpunkt und Perspektive auf momentane Dinge festlegt und das Harry Haller nun rückblickend versucht zu entwirren und zu analysieren, bietet dem Leser des Steppenwolf eine starke Identifikationsmöglichkeit. Harry hat aber jetzt das Problem, dass er zwischen den Stühlen sitzt und weder in der einen, noch in der anderen Religion, weder im Christentum, noch im Buddhismus wirklich Erkenntnistheoretisch angekommen und zu Hause ist und diese ihm in Kriesenzeiten den nötigen Halt und Sinn geben könnte. Gerade hieraus erwächst die viel zitierte Zerrissenheit und das Zwei-Seelen-Problem des Steppenwolf Harry Haller. Das was ihm Sinn zu geben scheint, ist keine Religion, sondern eine Philosophie der Kunst und Kultur die, wenn sie Früchte trägt, Werke von Novalis und Eichendorf entstehen lässt. Aber wenn das Ende einer Partnerschaft den Himmel im Leben zu sehr verdunkelt und sich das Moll über den Pessimismus der Weltuntergangsstimmung legt, ist's vorbei mit der Frömmigkeit der Lyrik und der Fürst der bebunkerten Unterwelt lauert im Halbdunkel mit dem Fangnetz der scheinbaren Erlösung. Aber unser Harry erkennt diese Gradwanderung nicht und hält den Weltuntergang und sei es auch nur sein ganz persönlicher, immernoch für eine fromme künstlerische Folgerichtigkeit. Das Angebot des Selbstmord wird ihm dann im "Tractat" zum romantischen Sprung in's Weltall zu den Heiligen und Göttern; und seine Verweigerung zur Flucht in sentimental-philosophische Tröstungen des Bürgertum und Ausdruck von Schwäche und Feigheit einer zwischen den Extremen hin und her gerrissenen Künstlerseele.
Vor allem ist für mich unverständlich, warum Harry Haller und auch der Autor selbst keinen Moment einen Gedanken an die sowohl dem Hinduismus als auch dem Buddhismus zugrunde liegende Bedeutung der Reinkarnation verlieren und dieser Kreislauf der immerwieder kehrenden Geburten zur Läuterung der Seele wie weggeweht und nie eine Überlegung wert gewesen sein sollen. Das Eingehen in's Nirwana zu Goethe und Mozart entpuppt sich nach dem Tod ganz plötzlich wieder als eine christlich-konservative abgemachte Sache. . . . (FORTSETZUNG FOLGT)

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14. HERMANN HESSE UND DIE ZWEITE VERWEIGERUNG
Der Steppenwolf und meine Warnung
vor dem religionsphilosophischen
Standpunkt des Harry Haller.

( ! ZEITACHSE GESPIEGELTE IHRE UND VEREINSAMUNG SCHLEICHENDE DIE)


Dieses dem Roman Hermann Hesses den Titel gebende Tier taucht, je nach Kreativität der jeweiligen Bibelübersetzungskomission, bereits im Alten Testament bei den Propheten Jeremia 5,6; Habakuk 1,8 und Zefania 3,3 auf. Leider ergeben sich, je nach Konfession und Bibelstelle drei unterschiedliche Übersetungsvarianten, die warscheinlich so nicht die einzigen sind und die einen Hermann Hesse-Leser wie mich nicht gänzlich gleichgültig lassen. Das reicht vom "Steppenwolf" über "Wolf der Steppe" bis zum passen zum Fernsehgucken eintreffenden "Wolf am Abend".
Mit diesem Rudeltier als Symbol für den vertriebenen Einzelgänger Harry Haller wird ja nicht nur das Weltbild einer fiktiven Person vermittelt, sondern auch das des in jungen Jahren vom Leben verunsicherten Autor Hermann Hesse selbst, dessen Biographien und Briefe mit fortschreitendem Alter des Leser zunehmend interessanter gegenüber seinen Romanklassikern werden. In solchen Lebensbeschreibungen zum 50. Todestag des Schriftstellers in diesem Jahr 2012 wird auch auf eine bedenkliche Relation hingewiesen. Das Verhältniss von Buchauflage zu Schülerselbstmordraten eines Landes (Der Spiegel 32/2012). Leser wissen, dass das Thema Selbstmord bei Hesse schnell zu einem relativ ausführlich behandeltem werden kann. Das Problem aber ist, dass er meiner Meinung nach dann nicht zu den Autoren gehört, der in seiner Geschichte einen potentiellen "Lebensmüden" auf deutlich verständlichem Weg aus diesem Gefahrenbereich des Suizidsog herausführt, sondern das lesende Opfer in romantisch verklärten Traumbildern voller überladener Symbolik weiter mit seinen Problemen im Brackwasser des Alltagsstress vor sich hindümpeln lässt.
So ähnlich verhält es sich auch mit der Romanfigur Harry Haller im Steppenwolf. Dessen ständige Gedanken an Selbstmord zeigen, dass er vor allem ein grosses Problem mit der Eindeutigkeit seines religiösen Standpunktes hat. Auch wenn er viel von Heiligen und Göttern spricht, sind seine Götter weder Götter noch Unsterbliche, sondern ersteinmal Helden und Idole der Kunst und Kultur, wie sein Mozart oder Goethe und was die ideelle Grösse solcher Glückspilze des Kulturbetrieb betrifft, ist diese im besten Fall der Garant für die Unsterblichkeit eines Mythos, aber noch kein Götterproduktionsmechanismus.
Auch wenn Harry Haller der Steppenwolfcharakter in eine christliche Familie gebohren wurde und vermutlich auch in jungen Jahren christlich erzogen wurde, hat diese religiöse Erziehung, die eher eine Ausbildung und Unterweisung sein sollte, ihm nicht die entscheidende Tür zum Glauben geöffnet, sodass es für ihn in der Übergangszeit vom Schüler zum studentischen Alter, in dem der jugendliche Mensch nicht nur partnerschaftlich und beruflich, sondern auch religiös und esoterisch mehr auf der Suche ist als zu anderen Lebensphasen, verlockend wurde, sich den asiatischen Religionen und Philosophien zu öffnen und anzufreunden. . . . (FORTSETZUNG FOLGT)

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