Dienstag, 11. September 2012
18. BILDSPRACHE IM VALERIAN & VERONIQUE - COMIC
DIE GESCHICHTE HINTER
DER GESCHICHTE - oder
"Musik ist Trumpf im Drogensumpf"

Valerian und Veronique, die Comic-Hauptcharaktere der Doppelfolge "DAS MONSTER IN DER METRO" und "ENDSTATION BROOKLYN" der französischen Autoren J.-C. Mezieres und P. Christin sind Agenten des Raum-Zeit-Service von Galaxity, der Hauptstadt der Zukunft, aus der sie ihre Unternehmungen durchführt. Durch die Erfindung des Raum-Zeit-Sprungs können sie sich ohne Schwierigkeiten in andere Jahrhunderte und an andere Orte des Weltraums versetzen. In der vorliegenden Geschichte von 1979 beunruhigen rätselhafte Erscheinungen die Öffentlichkeit von Frankreich. Wiederholte Sichtungen von Monstern in der Pariser Metro und in den Sümpfen von Poitou werden in den Medien gemeldet. Valerian versucht im Auftrag von Galaxity mit seinem Pariser Kontaktmann Albert diesen Geheimnissen auf die Spur zu kommen, deren Recherchen sie bis nach New York führen, während Veronique mit ihrem Raumschiff im Sternbild Kassiopeia von Planet zu Planet unterwegs ist, um dort etwas über den Ursprung dieser beängstigenden Wahrnemungen zu erfahren, von denen Neugierige vor Ort in Paris und New York sich spektukaläreres erwartet hatten.
Die Bildsprache dieser Doppelfolgen "DAS MONSTER IN DER METRO" (Originaltitel: METRO CHATELET - DIRECTION CASSIOPEE) und "ENDSTATION BROOKLYN" sagt mir, dass sich hinter der Geschichte um die rätselhaften Erscheinungen noch eine weitere Geschichte verstecken könnte, die ein Produkt der 70er Jahre Flower-Power-Generation ist. Ich habe nach wiederholtem Lesen und Analysieren der einzelnen Bilder, als Comic-Interessierter mit Grafik-Design -Studium Vergangenheit, den Eindruck, dass es sich in diesen Ausgaben um die Verschlüsselung des Thema "Drogenkonsum" mit all seinen Facetten handelt, auf die immerwieder mit versteckten oder symbolisch angedeuteten Details in den Zeichnungen und Wortspielen hingewiesen wird. Den Autoren (und auch dem Blogger!) scheint es vorallem darum zu gehen, über die Romantisierung des Thema in der tolleranten Hippiezeit und der Gelegenheitskonsumenten hinaus, vor dem Missbrauch und der sich schleichend einfindenden Opferrolle des naiven "Blumenkindes" und Raeggaeplattensammler, durch nicht absehbare Langzeit-Nervenschädigungen beim häufigen und regelmässigen Gebrauch von sogenannten weichen Drogen zu warnen. Zu diesen symbolischen Andeutungen und Verweisen gehören auch Situationen mit Alkohol, Zigaretten und der immerwieder auffallende allgegenwärtige Rauch. Das zentrale Suchtopfer der Geschichte ist die Hauptperson VALERIAN selbst. Nicht nur sein in diesen Ausgaben auffallend depressiver Character neben demonstrativen Frohnaturen wie Monsieur Albert, für den die Bedrohung durch die Erscheinungen nicht halb so gefährlich zu sein scheint, weist darauf hin. Die Droge ist auch als schamanistisches Hilfsmittel für den Bewustseinszustand als Medium in den telepathischen Komunikationen mit seiner Partnerin VERONIQUE angedeutet, für das der Schamane u. a. Pilze verwendet, deren Wirkstoff Hauptbestandteil des LSD ist, einer Droge, die vor allem auf dem legendären Woodstock-Festival ihre internationale Berühmtheit erlangte. Die Droge ist aber nicht nur Ausdruck einer Generation und Jugendkultur mit unabhängigen freiwilligen Gelegenhaitskonsumenten.

Es werden in dieser Geschichte vor allem die Langzeitkonsum- Folgeschäden, wie Nervenschädigungen der Sinnesorgane im Verhalten von VALERIAN zum Ausdruck gebracht. Die durch wiederholten Cannabiskonsum sensibilisierten Nerven gehen dann bei Enthaltsamkeit vom "Kiffen" nicht mehr in den Ruhezustand der gefilterten Wahrnehmung zurück,sondern sind, auf Grund wiederholter Sensibilisierung für Musik und Filmgenuss durch die Droge über Jahre bis Jahrzehnte hinweg, jetzt auf "Dauersensibilisierung" geschaltet- wie ein Kurzschluss eines ohmschen Widerstandes und sorgen so für täglichen stark erhöhten Stress (z.B. verstärkte Umweltgeräuschempfindlichkeit, Depressionen, Angstzustände bis Psychosen mit Stimmen.) Bekanntere Leidtragende solcher Symptome waren vermutlich der Anfang des Jahrtausends verstorbene junge amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace (Der Spiegel, 33/2009) Auch das bei dem verstorbenen Künstler und Documenta 13 - Teilnehmer Mark Lombardi erwähnte laute Tongeneratorrauschen seiner Stereoanlage, mit dem er eventuell versuchte diese stark erhöhte Geräuschempfindlichkeit auszutricksen, könnte darauf hinweisen, dass auch er ein Opfer dieser Problematik war. (monopol Magazin für Kunst und Leben, 6/2012)

Um diese Langzeitfolgen weiß aber im allgemeinen der Konsument von Haschisch und Marihuana nicht; und sie scheinen merkwürdigerweise selbst den "Fachleuten" fremd zu sein - sagt mir zumindest diese fragwürdige Stille in den Medien der letzten Jahrzehnte und dieses ständige militante "Topfklappern" in den Opiumrichtungen, dem Grundstoff für die Heroinproduktion.
Die im Comic verwendete futuristische Waffe von VALERIAN mit ihrem Glaskolben macht hier jetzt passend einen symbolischen Szenensprung - von den weichen zu den harten Drogen, da sie für mich in diesem Zusammenhang, einen "Schuss" abgeben zu können, die Heroinspritze des Junkies repräsentiert, die er sich in der Rolle des VALERIAN in den Metrokatakomben setzt.

Auch die versteckte "krimminelle" Form des Drogensumpf scheint dargestellt - wenn die Droge für ein gezieltes Opfer zur fremden Waffe wird und das durch Drogenkonsum sensibilisierte Opfer systematisch in seinem Umfeld mit Hilfe von esoterischen und für nicht jeden sichtbare Psychoterrorideen, die u.a. auf den Seiten 30/31 der Originalzeichnungen des 2. Teil ENDSTATION BROOKLYN angedeutet sind, auf den in Insiderkreisen bezeichneten "Horrortrip" gebracht und in Harry Haller'sche (Hauptperson in "Steppenwolf" von Hermann Hesse) Suizidstimmung gebracht werden soll.

Die Geschichte hinter der Geschichte beginnt mit einer klassischen Klischeesituation im linken Bild von 5a der Originalzeichnungen des 1. Teil, wo mit dem Bildkommentar auf den berühmten Lou Reed - Song "I'm waiting for my man" verwiesen wird, der auch typ-mässig gerade zur Tür herein zu kommen scheint. Das Warten (hier von VALERIAN auf Monsieur Albert) auf den Drogendealer im Cafe der, wie das zweite Bild mit dem leeren Weinglas, dem Aschenbecher und den Papierzettelchen, die die Zigarettenblättchen symbolisieren für den von den Händen gehaltenen imaginären Joint - mit dem dicken linken und dünnen rechten Ende der Zigarette, Haschisch vorbeibringen soll.
Und heftig qualmend setzt sich dann die Bildsprache von 5a und 5b fort. Im Laufe der Geschichte wird dann wird dann die ganze Palette der Drogenthemen angedeutet:
- der Drogenkonsument und Opfer (VALERIAN)
- Orte zur Drogenbeschaffung (Cafe, Metro etc.)
- Drogengeschäfte, klein bis international
- symbolische Verweise auf Unterschied und Anwendung
- Wirkung
- psychedelische Romantisierung
- Entzug und Suchtverhalten
- Beschaffungskriminalität
- Droge als Waffe zur Zerstörung einer Persönlichkeit

Für mein künstlerisches Auge sind diese Details unübersehbar dargestellt. Wenn es aber Leser gibt, die auf Grund mangelnder Erfahrung von interpretieren bildlichen Darstellung bis Drogen diese bildsprachlichen Aussagen nicht anerkennen, kann ich das verstehen, da auf Grund der Brisanz der Thematik die Autoren versucht haben, Details nur vorsichtig anzudeuten.

(PS: Siehe auch Liedtext "BRAIN DAMAGE" vom Album "DARKSIDE OF THE MOON" von der Band PINK FLOYD.

VALERIAN & VERONIQUE
von
Jean-Claude Mezieres
und Pierre Christin
"Das Monster in der Metro"
+ "Endstation Brooklyn"
2012 wieder neu aufgelegt in der
"Gesamtausgabe Band 4"
bei: http://www.carlsencomics.de

Französische Originale:
"VALERIAN ET LAURELINE"
J.-C. Mezieres + P. Christin
"Metro Chatelet - Direction Cassiopee" +
"Brooklyn Station - Terminus Cosmos"
1979/80 erschienen in Frankreich bei
http://www.dargaud.com

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